Wissenswertes zur Bearbeitung der Fotos

Allgemein bekannt ist, dass Rechtfertigungen jemanden schnell in die Defensive bringen. Dennoch ist es manchmal angebracht, einen Sachverhalt genauer zu erläutern, weil es dem besseren Verständnis dient – so auch im Folgenden.

Oft wird mir gesagt: "Deine/Ihre Bilder sind ja ganz schön, aber ..."
Über die Wertschätzung seiner Fotos freut sich natürlich jeder Fotograf. Doch häufig folgt der daran anschließende Satz bzw. die Frage: "Wurden die Bilder am Computer bearbeitet?" Ja, antworte ich. Und aus einem gerade noch gelobten, schönen Bild wird auf einmal ein manipuliertes Foto. Weit verbreitet ist die Meinung, dass ein am Computer bearbeitetes Foto nicht so emotional wertvoll bzw. authentisch ist, wie ein direkt aus der Kamera präsentiertes Foto – zumindest, wenn es sich dabei um Naturfotografie handelt. Warum wird das so empfunden?

Viele Personen fotografieren mit Kompaktkameras, welche meist ausschließlich JPG als Aufnahme-Datenformat und sRGB als verwendbaren Farbraum anbieten. Die Kamerahersteller sind natürlich darauf bedacht, dass mit ihren Vorgaben ein möglichst optimal "entwickeltes" Foto produziert wird. Der Fotograf soll das Bild sofort zu Verfügung haben – ohne weiteren Arbeitsaufwand. Im Studio unter reproduzierbaren Bedingungen eine effektive Möglichkeit, in der Naturfotografie aus meiner Sicht eher beschränkend. Praktisch ist das schon und führt auch zu guten bis sehr guten Ergebnissen, je nach Anspruch und Verwendung. Voraussetzung ist aber, dass die Kamera richtig eingestellt ist und dass die Belichtung passt. Solche Bilder werden oft als authentisch bezeichnet, weil ja nichts manipuliert wurde.

Persönlich möchte ich das Foto selber "entwickeln", so ähnlich wie zu Zeiten der Analogfotografie, aber ohne Chemie. Ganz wichtig ist mir, dass ich die Fotos so präsentieren kann, wie ich die Stimmung und die Farben zur Zeit der Aufnahme selber wahrgenommen habe. Die Wahrnehmung ist subjektiv und es kann vorkommen, dass die Erinnerung an ein bestimmtes Motiv nach einiger Zeit nachlässt. Das kann zur Folge haben, dass direkt nach der Aufnahme beispielsweise der Weißabgleich anders gesetzt wurde, als nach einem Jahr, wenn das Foto aus irgendwelchen Gründen nochmals bearbeitet wird. Damit kann ich leben, insbesondere dann, wenn die Kamera sowieso einen falschen Weißabgleich geliefert hatte.

Meine Wahrnehmung kann die Kamera nicht wissen, daher entsprechen die nur auf Kameraeinstellungen basierenden Fotos oft nicht den eigenen Vorstellungen. Ein ganz einfaches und gutes Beispiel sind Blütenfarben, insbesondere, wenn es sich um die Farben Blau und Violett handelt. Mein Kamerasystem stellt solche natürlichen Blütenfarben z. B. von Vergissmeinnicht, wie sie in vielen Gärten stehen, nicht ansatzweise farbneutral dar. Nur mit weiteren Einstellungen an der Kamera könnte ich mich an die "wirkliche" Farbe annähern. Dieser Aufwand ist mir persönlich zu aufwendig, da ich die Korrekturen für das folgende (andere) Motiv wieder rückgängig machen müsste. Und in gewisser Weise würde man das Bild ja auch schon allein durch die Kameraeinstellungen "manipulieren".
Viel einfacher geht es für mich, wenn ich Bilder im Raw-Format (Rohdatenformat) und Adobe-RGB-Farbraum aufnehme – beides muss das Kamerasystem natürlich unterstützen.

Bei Verwendung des Raw-Formats speichert die Kamera die Daten nach der Digitalisierung  weitgehend ohne Bearbeitung, es ist sozusagen ein „digitales Negativ“ entstanden (siehe Wikipedia Rohdatenformat). So eine Rohdaten-Datei ist dem entsprechend nicht das Endprodukt, sondern dient der Weiterverarbeitung – und damit kommt der Computer mit einem Bildbearbeitungs-Programm ist Spiel. Ohne Bildbearbeitung stellt sich eine Raw-Datei als ein ziemlich flaues und farbloses Bildchen dar, sofern man die Datei überhaupt einsehen kann. Denn die Rohdaten müssen erst konvertiert werden, damit sie sichtbar werden. Klingt ein wenig umständlich, aber am Ende zahlt sich die Mehrarbeit meist aus.

Im Gegensatz zum JPG-Datenformat (256 Helligkeitsabstufungen pro Farbkanal) besitzen Raw-Dateien 1024 bis 16384 Helligkeitsabstufungen pro Farbkanal. Dieses Mehr an Abstufungen wird besonders in den hellsten und dunkelsten Bildbereichen wahrgenommen. Ein im JPG-Format aufgenommenes Foto besitzt gegebenenfalls auffällige weiße und schwarze, strukturlose Bildflächen, während die gleiche Aufnahme im Raw-Format noch Strukturen und Farbabstufungen in den beiden genannten Bereichen enthält. Gerade bei Stimmungsbildern und sehr kontrastreichen Motiven liegt hier eindeutig der Vorteil beim Rohdatenformat. Weiterhin kann man sich mit den Einstellungsreglern eines „Raw-Konverters“ viel genauer den eigenen Vorstellungen des aufgenommenen Motivs nähern. Die relevanten Einstellungen werden im Nachhinein in aller Ruhe vorgenommen und nicht wie bei einer JPG-Aufnahme im Vorfeld.

Auch eine JPG-Datei lässt sich natürlich im Nachhinein am Computer bearbeiten, nur die Randbereiche (hell, dunkel) lassen sich nicht mehr gut korrigieren, weil die Daten einfach nicht gespeichert wurden – sie wurden sozusagen abgeschnitten. Zusätzlich kommt es beim JPG-Format aufgrund der verlustbehafteten Komprimierung der Datei – je nach Komprimierungsrate – möglicherweise zu störenden Bildfehlern.

Nach den obigen Ausführungen gibt es gute Gründe JPG-Dateien beim Fotografieren zu verwenden oder Raw-Dateien als Basis zu nutzen. Je nach Priorität kann man auch flexibel damit umgehen, sofern das Kamerasystem beides unterstützt.

Einer pauschalen Aussage, dass alle am Computer bearbeiteten Fotos manipuliert sind, möchte ich mich nicht anschließen. Jemand anderes mag dies anders sehen. Grundlage für eine Bewertung ist wie immer eine Definition und in diesem Fall die Eigene.

Anders verhält es sich, wenn man mit seinen Fotos an einem Wettbewerb teilnehmen möchte. Hier wird inzwischen von den Organisatoren deutlich kommuniziert, was erlaubt ist und was nicht. In der Regel dürfen Fotos am Computer bearbeitet werden – aber in mehr oder weniger engen Grenzen. Da der Übergang zwischen „nicht manipuliert“ und „manipuliert“ fließend ist, ist der Graubereich sehr groß. Besonders in der Naturfotografie ist es für eine Wettbewerbs-Jury oft schwer zu erkennen, wo die Manipulation beginnt. Auch das World Press Photo 2013 steht oder stand in der Kritik, weil es manipuliert worden sei.

Naturfotografen können sich unter anderem an den Wettbewerbsregeln der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT) orientieren. Technische Anforderungen und digitale Richtlinien sind hier in den jeweiligen Teilnahmebedingungen zu den Wettbewerben zu finden.